Sonntag, 25. April 2010

Neil Postman: Sein Leben, seine Werke und seine Zeit

Neil Postman wurde am 8. März 1931 in New York geboren...
...und starb fast 73 Jahre später im Oktober 2003 am selben Ort. In Postmans Leben drehte sich alles um das Thema Medien. So kam es, dass er 1959 Professor für Kommunikationswissenschaft und Medien-Ökologie wurde, in der ein „auf Lebenszeit vernünftiger Umgang mit Medien“ im Mittelpunkt steht. Anfangs noch Volksschullehrer, lässt sich sein eigentlicher Beruf sehr gut mit Medienwissenschafter zusammenfassen.

Obwohl er stets sehr kritisch und ablehnend neuen Medien wie dem Fernsehen gegenüberstand, gestaltete er 1976 für den Fernsehsender CBS eine Fernsehserie, in der er Schülern Wissen vermittelte. Im Jahr 1986 erhielt Postman den George-Orwell Preis für Klarheit in der Sprache.

Neben seinem wohl berühmtesten Werk „Wir amüsieren uns zu Tode“, welches 1985 erschien, publizierte Postman weitere sozialpädagogische Werke und Arbeiten. Diese waren: „Das Verschwinden der Kindheit“ (1983), „Die Verweigerung der Hörigkeit“ (1988), „Das Technopol. Die Macht der Technologien und die Entmündigung der Gesellschaft“ (1992), „Keine Götter mehr. Das Ende der Erziehung“ (1995) und „Die zweite Aufklärung. Vom 18. ins 21. Jahrhundert“ (1999).

Die Zeit, in der Postman lebte und seine Werke verfasste, enthält keine epochalen Unterschiede zur heutigen Zeit, was auch aufgrund der nur zwei Jahrzehnte Differenz schwer wäre. Und doch hat es eine rasante Entwicklung in Bereich der digitalen Informationstechnologie gegeben, die Postman wohl heute berücksichtigt hätte. Im Buch steht primär das Fernsehen als Nachrichtenmedium in der Kritik. Interessant wäre auch gewesen, seinen Standpunkt zum Internet als Nachrichtenübermittler zu erfahren. Da dieses damals noch in den Kinderschuhen steckte, muss man leider darauf verzichten.

Inhaltsangabe - "Wir amüsieren uns zu Tode"

Neil Postman fängt sein berühmtestes Werk mit einem Exkurs zu zwei weiteren Büchern an. Auf der einen Seite steht George Orwells „1984“ auf der anderen Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“. Die Einleitung widmet sich den Unterschieden dieser zwei – nur von der Grundidee aber nicht vom Weg dorthin - identischen Theorien.

Orwells Visionen in „1984“ waren düster und den kitschigen Albträumen eines Science-Fiction-Romans sehr ähnlich. Bereits 35 Jahre vor dem Jahr 1984 wollte er wissen, dass in ihm totalitäre Überwachungsregime zur Normalität gehören. Er fürchtete die Menschen, die Bücher verbieten und Informationen vorenthalten wollen. Seiner Idee nach entsteht eine „Trivialkultur“ durch äußerliche, gewalttätige Einflussnahme.

Das Ende ist bei Huxleys Werk „Schöne neue Welt“ das gleiche, doch der Weg dahin unterscheidet sich von „1984“ enorm. Er rechnete mit der Möglichkeit, dass „Menschen anfangen, ihre Unterdrückung zu lieben und die Technologien anzubeten, die ihre Denkfähigkeit zunichte machen“. Er fürchtete jene, die „uns mit Informationen überhäufen“ und dass „die Wahrheit in einem Meer von Belanglosigkeiten untergeht“. Er befürchtete, dass „das, was wir lieben, uns zugrunde richten wird“.

In seinem Buch behandelt Neil Postman die Möglichkeit, dass Huxley und nicht George Orwell Recht hatte.

Da dies kein „normales“ Buch mit einer Handlung ist, werde ich seine wichtigsten Erkenntnisse, Thesen, Vermutungen und Meinungen punktuell behandeln, ohne auf einen größeren als im Buch gegebenen Zusammenhang zu achten.

Postman sieht Las Vegas als Inkarnation des Geistes der heutigen Kultur. Eine Kultur, die wie er sagt, „sich immer mehr dem Entertainment annimmt“. „Kongeniale Anhängsel des Showbusiness“ sieht er in Politik, Religion, Nachrichten, Erziehungswesen und Wirtschaft. In der Politik bestimmen mehr das Aussehen und die Anzahl der Haare, wer Präsident wird, als die eigentliche Kompetenz und die Programmatik. Bei Fernsehjournalisten erkennt Postman identische Tendenzen. Jemand ohne Kamera-Appeal hat keine Chance, das Publikum über Neuigkeiten zu informieren. Auch die Wirtschaft ist auf diesen Zweig aufgesprungen und hat erkannt, dass „die Ökonomie weniger eine Wissenschaft als eine darstellende Kunst ist“ und verweist auf das jährliche Werbeetat von Toyota.

Neil Postman sieht Begriffe wie „Austausch“ oder „Gespräch“ von einer höheren Ebene und denkt dabei nicht nur an die gesprochene Sprache, sondern an alle Techniken und Technologien, die es ermöglichen, Botschaften auszutauschen. Er sieht in diesem Zusammenhang die ganze Kultur als einen großen Austausch bzw. als einen Komplex zahlreicher Austauschvorgänge. Dabei geht es ihm besonders um die Frage, „wie die Formen des öffentlichen Diskurses geradezu diktieren, welcher Art die Inhalte sind, die in ihnen vermittelt werden“. Als nicht komplexes Medium bringt Postman die Rauchzeichen der Indianer als Beispiel. Mit ihnen kann man keine komplexen Inhalte wie philosophische Gedankengänge vermitteln. Die einfache Form schließt solche Inhalte aus. Dagegen führt das Fernsehen einen Austausch in Bildern und nicht in Rauchzeichen oder Worten. Das Aussehen eines Redners beeinflusst den Zuseher so stark, dass der Inhalt sekundär wird. Dieses Medium schließt wie die Rauchzeichen Formen von Inhaltsaustauschen aus, darunter politische Ideen. „Die Form des Mediums Fernsehen arbeitet gegen den Inhalt.“

Eine seiner berühmtesten Aussagen, die oft zitiert wird, ist folgende: „Ich beklage in diesem Buch die einschneidenste Veränderung innerhalb der amerikanischen Kultur: den Niedergang des Buchdruckzeitalters und den Anbruch des Fernsehzeitalters. Dies hat zu einer dramatischen, unwiderruflichen Verschiebung im Inhalt und in der Bedeutung des öffentlichen Diskurses geführt, denn zwei so unterschiedliche Medien können nicht die gleichen Ideen in sich aufnehmen.“

Im ersten Kapitel „Das Medium ist die Metapher“ zeigt er auf, dass Medien sowohl Haupt- als auch Nebenzwecke haben. Am Beispiel der Brille sieht er neben dem Hauptzweck, der Verbesserung der Sehfähigkeit, als Nebenzweck die psychologische Vorstellung, den natürlichen, altersbedingten Verfall des eigenen Körpers nicht einfach so hinzunehmen. Anatomie war dadurch kein Schicksal mehr.

Als Beispiel, dass Technologien nur da sind, damit sich der Mensch mit ihnen unterhalten (austauschen) kann, nennt er die Uhr. „Die Gliederung der Zeit in eine Abfolge von Momenten ist nicht gott- oder naturgegeben. Der Mensch hat sie hervorgebracht, indem er sich mittels einer von ihm geschaffenen Maschine mit sich selbst unterhält. Die Uhr machte uns – beginnend im 14. Jahrhundert zuerst zu pünktlichen Zeit-Messern, dann zu Zeit-Sparern und heute schließlich zu Dienern der Zeit.“

Im Vergleich zum gesprochenen Wort ist bei dem geschriebenen Wort ein „Austausch mit niemandem und zugleich jedem“ vorhanden. Es erschafft die Vergangenheit in der Gegenwart.

Das erste Kapitel schließt er mit der Frage nach der Quantifizierung von Begriffen wie Intelligenz ab: „Wir sehen die Natur oder die Intelligenz so, wie unsere Sprachen sie uns sehen lassen. Unsere Sprachen sind unsere Medien. Unsere Medien sind unsere Metaphern. Unsere Metaphern schaffen den Inhalt unserer Kultur.“

Mögliche kritische Gegenargumente entkräftet Postman am Anfang des zweiten Kapitels mit der Klarstellung: „Gegen das dumme Zeug, das im Fernsehen gesendet wird, habe ich nichts, es ist das Beste am Fernsehen, und niemand und nichts wird dadurch ernstlich geschädigt.“

In diesem Kapitel, welches „Das Medium als Epistemologie“ benannt ist, behauptet er, dass „Wahrheitsbegriffe sehr eng mit den Perspektiven bestimmter Ausdrucksformen verknüpft sind“. Die Wahrheit müsse in der ihr angemessenen Kleidung auftreten, um erkannt zu werden. „Jede Kultur beruht auf dem Grundsatz, dass sich die Wahrheit in bestimmten symbolischen Formen besonders glaubwürdig ausdrücken lässt, auch wenn diese Formen in anderen Kulturen möglicherweise trivial oder belanglos erscheinen.“ Was genau er damit meint, macht er in Beispielen deutlich. In Indianerstämmen, die den oralen Austausch pflegen, ist der weise, der die meisten Sprichwörter kennt. In Aristoteles’ Zeit waren die Leute weise, die mit Rhetorik umgehen konnten. Jemand, der seine Gedanken nicht dieser Form unterwarf, sagte nach damaligen Grundsätzen nicht die Wahrheit. In der heuten Gesellschaft ist Gesprochenes weitestgehend belanglos, denn es zählt nur das geschriebene Wort, da es für besser durchdacht und leichter zu verifizieren gehalten wird. Damit will Postman „darauf aufmerksam aufmachen, dass die Formen, in denen man Wahrheit zum Ausdruck bringen kann, eine Beliebigkeit aufweisen“.

Postman zweifelt eine Koexistenz von Fernsehen und Buchdruck deutlich an, da dieses ein Gleichgewicht der Kräfte verlangen würde, das nicht gegeben ist. Doch trotz allen seinen Argumenten gegen das Fernsehen möchte Postman sein Werk nicht als „Generalangriff gegen das Fernsehen verstanden möchten. Ein Medienwandel führt nicht unbedingt zu einem Gleichgewicht. Manchmal schafft er mehr als er zerstört, manchmal ist es umgekehrt.“

In „Amerika im Zeitalter des Buchdrucks“, dem dritten Kapitel wird erklärt, warum in Amerika einst Bücher einen sehr hohen Stellenwert bei den meisten Bewohnern hatten. Anfangs erwähnt Postman jedoch ein Zitat eines Vertreters einer Religionsgemeinschaft, der erklärt, warum deren Grundsätze nicht zu Papier gebracht werden sollen. Man lerne laut seinen Ausführungen laufend dazu und erkenne Fehler. Würde man diese Grundsätze drucken, liefe man Gefahr, sich daran gebunden und eingeschränkt zu fühlen und vor Änderungen zurückzuschrecken. In dieser Aussage erkennt Postman eine Kritik an der Epistemologie des geschriebenen Wortes.

Wichtig ist ihm abschließend noch die Feststellung, dass „der Einfluss des gedruckten Wortes […] nicht nur wegen der Menge des Gedruckten so stark war, sondern deshalb, weil das Gedruckte über ein Monopol verfügte“. Heute gibt es zwar mehr Gedrucktes als je zuvor, aber daneben noch Filme, Radio und Fernsehen.

Im vierten Kapitel „Leserverstand“ kritisiert Postman die Aufmerksamkeit und das Interesse der heutigen Amerikaner bei politischen Reden und verweißt auf die Lincoln-Douglas Debatten im 19. Jahrhundert, die über mehrere Stunden dauerten und in der damaligen Zeit wichtige gesellschaftliche Ereignisse waren. Die Sätze der Redner waren komplex und immer wieder wurde auf rhetorische Mittel wie Ironie, Paradoxen und weitere Mittel zurückgegriffen. „In einer Fernsehkultur brauchen die Menschen jedoch für das Ohr ebenso wie fürs Auge eine Sprache, die schlicht und einfach ist.“

Auch schreibt er über die Veränderung unserer Erinnerung an berühmte Persönlichkeiten. Früher wurden die Menschen wegen ihrer Reden bekannt, heutzutage erinnern wir uns nur an Bilder der Personen.

„Ich möchte diese Zeit, in der der amerikanische Geist unter der Souveränität der Druckpresse stand, das Zeitalter der Erörterung nennen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts neigte es sich seinem Ende zu. Es kam das Zeitalter des Showbusiness“, schließt Postman dieses Kapitel ab. Als Beleg für seine These nimmt er das Beispiel Werbung: Bis 1890 galt Werbung als etwas Ernsthaftes aus Wörtern, dessen Zweck es war, Informationen zu vermitteln. „In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts zerbrach dieser Kontext zunächst unter dem massiven Druck von Fotografien, sodann durch die Verwendung einer nicht mehr auf Aussagesätze konzentrierten Sprache.“

Im fünften Kapitel „Die Guckguck Welt“ wird vor allem über die Veränderung unserer Informationsqualität und Quantität nach der Erfindung des Telegrafs geschrieben. Bevor Morse ihn erfunden hat, wurden Informationen so schnell verbreitet, wie sie der Mensch transportieren konnte.

„Die dem Telegrafen innewohnende Möglichkeit, Informationen in Ware zu verwandeln, wäre vielleicht nie Wirklichkeit geworden, hätte sich der Telegraf nicht mit der Presse zusammengetan“, beschreibt Postman den Beginn der Untat, „Belanglosigkeiten in den Rang von Nachrichten zu erheben“. Die Informationsumwelt war „dekontextualisiert: Es gab eine Flut von Informationen, aber nur sehr wenig davon war brauchbar.“ Dies hatte zur Folge, dass eine Fülle an irrelevanten Informationen vorhanden war, die das proportionale Verhältnis zwischen Information und Aktion drastisch veränderte: Es gab viel mehr Information als Bedarf an Reaktion darauf.

„Der Beitrag des Telegrafen zum öffentlichen Diskurs […] bestand darin, der Belanglosigkeit zu Ansehen zu verhelfen und die Ohnmacht zu verstärken“. Damit war die Telegrafie das genaue Gegenteil des Buchdrucks.

Der Franzose Lois Daguerre revolutionierte 1838 die Medienlandschaft, als er ankündigte, die Fotografie (auf Deutsch: Schreiben mit Licht) könne die Natur überall zu jeder Zeit „verdoppeln“.

Die Fotografie präsentiert die Welt als Gegenstand und als Fakte, während die Sprache sie als Idee präsentiert. Ein Foto verlangt keinen Zusammenhang – es gibt weder einen Anfang, noch eine Mitte oder ein Ende, nur die Gegenwart, die jedoch keinen Kontext braucht. So wurde „für zahllose Amerikaner das Sehen statt des Lesens zur Grundlage ihrer Überzeugungen“. Das Foto vervollkommnte die Flut telegrafischer Nachrichten.

Eine weitere, maßgebliche Umschichtung im Interesse erkennt Postman: „Während die Menschen früher nach Informationen suchten, um den realen Kontext ihres Daseins zu erhellen, mussten sie jetzt Kontexte erfinden, in denen sich solche nutzlose Information scheinbar nutzbringend gebrauchen ließen.“ Solche waren Kreuzworträtsel und primitive Quizshows.

Noch schlimmer war jedoch die Einführung des Fernsehens als Informationsbeschaffungsmedium. „Das Fernsehen hat den Status eines Meta-Mediums erlangt“, weiß Postman: „es ist zu einem Instrument geworden, das nicht nur über unser Wissen über die Welt bestimmt, sondern auch unser Wissen darüber, wie man Wissen erlangt.“

Im Kapitel „Das Zeitalter des Showbusiness“ wird gut erkennbar, dass das Fernsehen sich rein der Unterhaltung widmet. Vor allem Nachrichten sind, obwohl sie es nicht sein sollten, zur Unterhaltung gedacht. In diesem Kapitel kommt auch die wichtigste These zum Ausdruck: „Unser Fernsehapparat sichert uns eine ständige Verbindung zur Welt, er tut dies allerdings mit einem durch nichts zu erschütternden Lächeln auf dem Gesicht. Problematisch am Fernsehen ist nicht, dass es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, dass es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert.“

Gutes Fernsehen hat viel mit der Wirkungsweise von Bildern zu tun. Es erfordert die Kunst der Darstellung und Denken ist keine darstellende Kunst. Sendungen wollen zum Schluss Applaus erreichen, nicht Nachdenklichkeit.

Im folgenden Kapitel „Und jetzt…“ kritisiert Postman vor allem, dass, obgleich wichtig oder nicht, Nachrichtenblöcke immer direkt aufeinander folgen oder durch Werbung unterbrochen werden, sodass der Zuschauer keine Zeit zum Nachdenken hat, und es durch beruhigende Musik oder wegen des Aussehens des Reporters für belanglos hält. Er sieht Nachrichten als banale Unterhaltung und weist auf einen „äußerst beunruhigenden Sachverhalt hin: Wir verlieren das Gefühl dafür, was es bedeutet, gut informiert zu sein. Unwissenheit lässt sich beheben. Aber was sollen wir tun, wenn wir die Unwissenheit für Wissen halten?“

Um noch einmal auf den anfangs erwähnten Vergleich zwischen Orwells und Huxleys Theorie zurückzukommen, zieht Neil Postman ein kleines Fazit, in dem er noch einmal Huxley Recht gibt: „Man hat die Lüge nicht als Wahrheit definiert und die Wahrheit nicht als Lüge. Es ist nichts weiter geschehen, als dass die Öffentlichkeit sich an die Inkohärenz gewöhnt hat und in die Teilnahmslosigkeit hineinamüsiert hat.“

In „Im Wiegeschritt nach Bethlehem“ wird ersichtlich, dass im Fernsehen auch die Religion einschränkungslos ohne Nachsicht als Unterhaltung präsentiert wird. Prediger erkennen offen, dass sie den Inhalt so gestalten, dass sie möglichst hohe Einschaltquoten erzielen. „Den Fernsehpredigern machen nicht ihre eigenen Schwächen zu Feinden der Religiosität, sondern die Schwächen des Mediums, in dem sie arbeiten.“

In „Sie haben die freie Wahl“ zeigt Postman auf, wie oft wir vom Fernsehen beeinflusst werden und „dass die Fernsehwerbung die Denkgewohnheiten der Amerikaner nachhaltig geprägt hat“. Beispiele dafür sind etwa Werbungen, die nicht mehr von Aussagen sondern vielmehr von Gefühlen beherrscht werden: „Indem sie Behauptungen durch Bilder ersetzte, machte die Bildwerbung den emotionalen Appeal statt einer rationalen Prüfung zur Basis der Verbraucherentscheidungen.“ Man erfährt du die Werbung nicht mehr, wer der Beste ist, sondern wessen Image die Tiefenschichten unserer Unzufriedenheit am Ehesten erreicht und diese beschwichtigt. Das Erfolgsgeheimnis bei Fernsehwerbungen ist einfach erklärt: „Wer einen Werbespot in Auftrag gibt, muss nicht die Stärken seines Produkts, sondern die Schwächen des Käufers kennen.“

Fernsehen beeinträchtigt die Lesefreiheit der Leute mit unschuldigen Händen. Fernsehen verbietet die Bücher nicht, es verdrängt sie.

In „Unterricht als Unterhaltung“ verweißt Postman auf die Theorie, dass Sendungen wie „Sesam Straße“ Kindern das Lesen durch Spaß am Lernen beibringen sollen. Doch ist in der Schule der Spaß das Mittel zum Zweck, im Fernsehen ist jedoch der Spaß der eigentliche Zweck. Er weist auch darauf hin, dass das Fernsehen die Macht erlangen kann, die Erziehung zu kontrollieren, wie es früher bei der Druckpresse der Fall war.

Die Bildungstheorie des Fernsehens gliedert er in drei wesentliche Gebote:

* Du sollst nichts voraussetzen (Es darf von einer Sendung kein Vorwissen verlangt werden. Dem Lernenden muss jederzeit Zutritt gewährt werden, da kein Zuschauer ausgeschlossen werden darf. Dieses Gebot untergräbt die Vorstellung, Folgerichtigkeit und Kontinuität hätten irgendetwas mit dem Denken zu tun).
* Du sollst nicht irritieren (Ein irritierter Schüler schaltet um. Nicht seine Entwicklung ist entscheidend, sondern seine Zufriedenheit).
* Du sollst die Erörterung meiden (Diese ist der größte Feind des Fernsehunterrichts).

Postman folgert aus diesen Geboten, dass man „einen Unterricht ohne Vorraussetzungen, Irritation und ohne Erörterung wohl als Unterhaltung bezeichnen darf“.

Das letzte Kapitel namens „Huxleys Warnungen“ berichtet über die zukünftigen Gefahren des Fernsehens, wenn nicht ernsthaft etwas geändert wird: „Es gibt zwei Möglichkeiten, wie der Geist einer Kultur beschädigt werden kann. Im ersten Fall (Orwell) wird die Kultur zum Gefängnis. Im zweiten Fall (Huxley) verkommt sie zum Varieté.“

Der einzige Weg zur Rettung der Kultur vom Masseneinfluss dieses omnipräsenten Mediums ist, sich selbst Gedanken darüber zu machen. Zur Anregung dazu hat Postman einen originellen Vorschlag, der aus der heutigen Zeit der Zigarettenpackungshinweise kommen könnte: „Jedem politischen Werbespot sollte eine Erklärung vorangehen wie ‚Der gesunde Menschenverstand: Politische Fernsehwerbung gefährdet die Urteilsbildung des Gemeinwesens’“.

Abschließend zitiert er noch Huxley aus „Schöne neue Welt“: „Die Menschen leiden nicht daran, dass sie lachen, statt nachzudenken, sondern, dass sie nicht wissen, worüber sie lachen und warum sie aufgehört haben, nachzudenken.“



Interpretation - "Wir amüsieren uns zu Tode"

„Wir amüsieren uns zu Tode“ ist eine nicht ganz humorlose Darstellung der Entwicklung der einzelnen Informationsmedien im Laufe der Zeit. Postman kommt dabei immer wieder zu einem Schluss, der auch die Kernaussage des Buches darstellt: Fernsehen ist ein Medium, das auf Bildern basiert und deswegen ungeeignet zum Übermitteln von Informationen wie Nachrichten ist.

Zugleich möchte er aber auch wissen lassen, dass er vom Fernsehen an sich sehr viel hält, wenn er schreibt: „Gegen das dumme Zeug, das im Fernsehen gesendet wird, habe ich nichts, es ist das Beste am Fernsehen, und niemand und nichts wird dadurch ernstlich geschädigt.“ Postman meint, dass die meisten Informationssendungen oder Nachrichtensendungen zwar Informationen vermitteln, dies jedoch nur auf der Idee der Unterhaltung basiert, weswegen die Bedeutung des Inhalts grundlegend geändert wird. Der Beweis für diese These ist für ihn das gute Aussehen der Nachrichtenleute, was sie zu den am Besten aussehenden Menschen in Amerika macht. Man sieht in den Nachrichten nie Menschen, die älter als 50 Jahre sind, die eine Glatze haben, die etwas dicker sind oder anders optisch unsympathisch wirken. Der Grund dafür ist, wie Postman ausführt, dass die Glaubwürdigkeit in diesem Medium darunter leiden würde. Niemand will ernsthaft die Neuigkeiten des Tages von einer übergewichtigen, ungepflegten Moderatorin präsentiert bekommen.

In fast jeder Publikation Postmans kritisierte er die neuen Medien und stellte den Lernfaktor eben dieser in Frage. In einer Rede unter dem Motto „Five Things We Need to Know About Technological Change“, die mit 27. März 1998 datiert, erklärte er, dass man sich nicht nur die Frage „Was wird die neue Technologie machen“ stellen sollte, sondern sich auch überlegen sollte, „was die neue Technologie rückgängig macht“ . Obwohl letztere Frage viel seltener gestellt wird, ist sie trotzdem oder gerade deswegen wichtiger.

In seinem 1992 erschienenen Buch „Technopoly“ formulierte er seinen Zweifel an dem Nutzen des heute alltäglichen Einsatzes eines EDV-gestützten Schullernprogramms wie folgt: „Ich behaupte nicht, dass es [das Programm], von einem geschickten Lehrer richtig eingesetzt, nicht hilfreich sein kann, aber ich zweifle daran, dass es mehr leistet als Papier und Bleistift und das Sprechen selbst, wenn sie von einem geschickten Lehrer richtig eingesetzt werden.“ Ähnlichen Tenor findet man in fast allen Aussagen zu dem Brennpunkt „neue Medien“.

Weiters befürchtete er, dass der Zwang zur Bebilderung zu einer Entleerung der Inhalte führe. Diesem Zustand gab er mit „Infotainment“ – welches eine Kombination der Wörter Information und Entertainment darstellt - einen passenden Überbegriff.

Epilog

Postmans These lautet zusammengefasst, dass die Medien zunehmend nicht nur bestimmen, was wir kennen lernen und erleben, welche Erfahrungen wir sammeln, sondern auch, was und wie wir denken, was und wie wir empfinden, sogar was wir von uns selbst und voneinander halten sollen. Zum ersten Mal in der Geschichte gewöhnen die Menschen sich daran, statt der Welt ausschließlich Bilder von ihr ernst zu nehmen.

An die Stelle der Erkenntnis- und Wahrnehmungsanstrengung tritt das Zerstreuungsgeschäft. Die Folge davon ist ein rapider Verfall der menschlichen Urteilskraft. Darin steckt eine unmissverständliche Bedrohung: Er macht unmündig oder hält in der Unmündigkeit fest. Und er tastet das gesellschaftliche Fundament der Demokratie an: Die Gesellschaft amüsiert sich zu Tode.

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